27 Mai, 2014

Im Windkanal der Geschichte




THE GREAT DEBATERS (Denzel Washington, USA 2007).

Eine Art „Sportfilm für Brillenträger”, sehr amerikanisch. Ein Lehrer, gespielt von Denzel Washington (dessen zweite Regiearbeit der Film ist), gründet einen Debattierclub an einer schwarzen Provinzuniversität in den 1930ern. Bald versammelt er die hellsten Köpfe um sich. Man rauft sich zusammen. Am Ende wird das weiße Harvard besiegt, nur mit der Schönheit der Argumente.

Washington inszeniert das als nahtlose Unterhaltung. Storytelling-Klassizismus, dem man allenfalls noch in Pixar-Filmen zu finden gewohnt ist. Die Geschichte steht im Zentrum. 

Es ist eine „wahre” Geschichte. So wie sie erzählt wird, kann sie nicht passiert sein. Die Verkürzungen sind propagandistisch, aber – falls so etwas möglich ist – nicht verlogen. 

Eher ist es eine didaktische Überhöhung, auf die Washington aus ist. Der Lehrer, der spricht, hat Autorität. Zweifel sind nicht erlaubt – und werden vielleicht nicht zufällig im Film als „größte menschliche Schwäche” identifiziert, von einem Prediger, den Forest Withaker musisch-autoritär als spirituelle Alternative anlegt.

Auch das Schauspiel der Schüler hat etwas evangelikales, auf hohem Niveau. Die jungen Spieler wachsen über sich hinaus, im Dienst der Sache. Sie bleiben dabei Modelle, stellen Konflikte dar, über-individuell.

Die Tatsache, dass Washington die „Zweifellosigkeit” seiner Erzählung für angemessen hält, könnte heissen, dass er den Rassismus ernster nimmt als es üblich ist in Hollywood. Er muss ihn erfahren haben, denke ich. Dennoch: Ich wünschte, er hätte die Zweifel zugelassen.

Das gilt auch und gerade für die Form, die über kompetente Konfektion nie hinausgeht, nirgends: die Auflösung ist gefällig, die Ausstattung rhetorisch, die Musik süßlich (Einzige Ausnahme vielleicht ist die Anfangsszene im Tanzclub, in der die Musik für einen Augenblick ergreifend unzähmbar scheint). Stromlinie im Windkanal der Geschichte.

Der Film hat mich ungemein bewegt, was kein Werturteil bedeuten soll. Warum ist Ungerechtigkeit im Kino ein so starkes Wirkmittel? Im Leben lässt es mich so viel kälter. 

Spannung im engeren Sinne gibt es wenig. Wir wissen, worauf die Geschichte hinausläuft. Es kommt, wie es kommen muss. Die Rückschläge sind einigermassen milde. Die Underdogs gewinnen. Die Amerikaner nennen so etwas inspirational. 

Trotzdem weicht der Film an entscheidender Stelle nicht aus. Man könnte sagen: er ist prinzipienfest. Das war für mich die eigentliche Überraschung. 

Der Lehrer, Melvin B. Tolson, eine historische Figur, ist Kommunist. Washington zeigt ihn als einen zupackenden Aktivisten bei Nacht, der mit seinen Überzeugungen bei Tage nicht hausieren geht. Im Zweifel ist ihm die Meinungsfreiheit - und das lebensrettende Recht auf Diskretion - wichtiger als die Sympathie seiner Studenten. Washington scheint hier mit seiner Hauptfigur zu gehen: er ist ein Verfassungspatriot, der das Prinzip heroisiert.

Auch in der Schilderung rassistischer Diskriminierung gibt die Regie keinen Rabatt. Das ist noch keine Heldentat, aber eben nicht feige wie so viele andere Mainstream-Filme, die vorgeben, sich der schwarzen Geschichte zu widmen (etwa Brian Helgelands jüngster Sportfilm „42”). 

Ich habe mir den Film angesehen, weil mich interessiert, wie man im Kino „Geschichte” erzählen kann. (Und natürlich wegen Washington, der mich begeistert.) Mein nächster Film wird auch ein period picture sein, aber einen entgegengesetzten Weg einschlagen. Keine historisch verbürgten Ereignisse – und Zweifel als Stilprinzip.

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