23 Mai, 2013

Spam

Wie so viele nutze ich (unter anderem) Yahoo für meine Mails und bin so gezwungen, täglich abzuwarten, bis sich die Startseite aufgebaut hat. Ich versuche dieser bunten Fassade keine Beachtung zu schenken, denn sie ist ohne Ausnahme dumm und vulgär, aber was mich doch erschreckt und überrascht ist die Monotonie ihrer sexistischen Perspektive. Ist das wirklich Mainstream?

Hier die Schlagzeilen eines (!) Tages in der Rubrik „Stars” (eine von vier „Nachrichten”-Rubriken):

„Ihr sexy Look kann davon nicht ablenken
Im heißen Overall zog _ die Blicke auf sich. Doch die Make-up-Panne war nicht zu übersehen.”

„Ihr Kleid betont es noch zusätzlich
_ Rücken erschien in ihrer nachtblauen Robe schon beinah besorgniserregend mager.”

„_ will nur im Boden versinken
_ reißt seine Frau _ ohne Vorwarnung in die Luft und sorgt für einen unübersehbaren Popo-Blitzer”

„Obenrum sieht sie ganz züchtig aus
Doch untenrum ließ _ bei den _ Awards schlichtweg ein Kleidungsstück weg.”

„Diese Rundungen sind passé
Wie dünn _ mittlerweile wirklich ist, offenbart ein aktuelles Bikini-Foto.”

„Kein Wunder, dass sie so komisch guckt
Auch eine Fashionista der Oberklasse wie Prinzessin _ greift manchmal daneben.”

„Sie hatte sich beinahe halbiert
Als _ am Flughafen nach einem Jahr seine Frau _ wiedersah, war er richtig baff.”

7 Fragen

Alexander Gajic hat mir für die ZDF-Kinosendung „close up” sieben Fragen gestellt, die ich hier (mit ziemlich verunglückter Frisur) beantworte.

19 Mai, 2013

Der Traum von Kontrolle

Der nachfolgende Text ist zehn Jahre alt, enthält aber doch den einen oder anderen aktuellen Gedanken, finde ich. Entstanden ist er im Rahmen des Studiums an der HFF München. Er war bisher auf dem Nachbarblog zu lesen, das ich gerade „aufräume”.




Techniken der Previsualisierung am Beispiel von Coppolas „One From the Heart


Von Christoph Hochhäusler (2003)


I


Die Techniken der Filmherstellung haben sich nach den ersten Jahren der fortwährenden Erneuerung und Innovation überraschend schnell konsolidiert. Spätestens mit Einführung des Tonfilms Ende der 1920er Jahre waren die Zeiten der Patentstreitigkeiten (man denke nur an Edisons Versuche, „seine Erfindung Kino” patentrechtlich zu schützen), der Format- und Frequenzabweichungen ausgestanden. Der sich damals herausbildende Standard 35 mm mit seinem 24-Bilder-Dogma ist bis heute (mit Abstrichen) gültig und seine Ablösung ist - zumindest in der Projektion - in der nächsten Zukunft noch nicht zu erwarten. Auch in den filmhandwerklichen Abläufen, den Hierarchien und Zuständigkeiten hat sich sehr wenig verändert. „Das modernste Medium” hat früh einen hartnäckigen Konservatismus entwickelt, der es immun gegen die Modernisierungswellen gemacht hat, die andere Industrien zur gleichen Zeit nachhaltig verändert haben. Nicht, dass es an Prognosen gemangelt hätte, die einen neuen Standard vorhersagten. Auch hat es immer wieder Versuche gegeben, „technisch überlegene” Sonderformate zu etablieren, man denke nur an die Fülle konkurrierender Breitwandtechnologien seit den 1950er Jahren (VistaVision, CinemaScope, WarnerScope, 65 mm, Imax usw.). Aber die Tatsache der großen Synergien, die ein einheitlicher Standard mit sich bringt, hat in dem teuren Medium Film immer für eine Trägheit gesorgt, die ein einzelner technischer Vorteil nicht überwinden konnte. Nicht zufällig hat deshalb die seit vielen Jahren verkündete und heute konkret zu beobachtende „Digitale Revolution” erst mit dem Argument geringerer Kosten jenen strategischen Brückenkopf erobert, der es uns heute erlaubt, ohne jeden Zweifel über ihre Vollendung zu spekulieren.



II


Als Francis Ford Coppola im April 1979 anlässlich der Oscarverleihung von der technischen Zukunft des Films sprach, war er sich dieser Trägheit der ihn umgebenden Industrie sicher bewusst. Aber nach seinen damals beispiellosen Kassenerfolgen als Regisseur („Der Pate I + II”) und Produzent („American Grafitti”), nach 5 Oscars und einer goldenen Palme (die zweite sollte er einen Monat später für „Apocalypse Now” bekommen), und ausgestattet mit einem großem Vermögen, hatte er den Mut (oder die Frechheit, wie viele meinten), nichts weniger als das Ende des klassischen Produktionsweise zu verkünden: „Wir stehen am Beginn von etwas, was die industrielle Revolution daneben wie einen kleinen provinziellen Testlauf aussehen lassen wird... Ich sehe eine Revolution der Kommunikation... in der es um Filme, Kunst und um Musik gehen wird, um digitale Elektronik und Satelliten, aber vor allem um menschliches Talent - und das wird die Meister des Kinos, von denen wir dieses Geschäft geerbt haben, an Dinge glauben lassen, die sie bis dahin für unmöglich gehalten haben.” Nur kurze Zeit später liess er seinen Worten Taten folgen. Am 25. März 1980 erwarb er die Hollywood General Studios in L.A. für 6,7 Mio. $, taufte sie „American Zoetrope Studios” und investierte weitere 5 Mio $ seines eigenen Geldes, um daraus das „modernste Studio der Welt” zu machen, von dem aus die Idee eines Electronic Cinema seinen Siegeszug hätte beginnen sollen. Coppola wollte nicht länger nur Regisseur sein; als Studioboss, Visionär und Erfinder wollte er die Art und Weise, wie Filme gemacht werden, grundlegend verändern. Was ihn trieb war jedoch nicht so sehr Größenwahn oder Ruhmsucht, als die Hoffnung auf Erneuerung und Befreiung durch die Technik. Er, der mit „Apocalypse Now” alle Widrigkeiten des Filmemachens „on location” am eigenen Leib erfahren musste, wo er mit Stürmen, Unfällen, Krankheiten und einem explodierendem Budget zu kämpfen hatte, träumte jetzt den Traum der Kontrolle.


18 Mai, 2013

Tausend Augen

Wahrscheinlich ist es nur eine Verschwörungstheorie, aber ich hatte in der Vergangenheit immer wieder das Gefühl, aus einem einzelnen Filmbild den ganzen Film ablesen zu können. Als wäre in jeder Einstellung die ganze DNA schon enthalten.


Ein Bild aus Fritz Langs DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (D 1960).

Mit dem Aufkommen von DVD und Netzvideos sind wir alle zu Röntgen-Ärzten des Kinos geworden. Wir haben den Durchblick, sehen den Schatten auf der Lunge. Das Bild dominiert uns nicht mehr, es ist kleiner als wir. Wir können es angreifen. Vor, zurück. Schneller, langsamer. Wiederholung, Überwachung. „Bildschirmfüllend” oder kleiner. Auf Youtube gibt es die Möglichkeit der Vorschau. Während man die eine Szene sieht, kann man prüfen, ob man die nächste sehen will. Wir warten auf die Bilder, die wir aus dem Trailer (oder der Videokritik) kennen. Wenn sie kommen, haken wir sie ab. Oft fühlen sich die Trailer-Höhepunkte verbraucht an. Wir haben fest im Blick, wie lange der Film noch dauern wird. Die Untertitel informieren uns – zu früh – darüber, dass er sie liebt und sie einen Anderen. Die Schauspieler spielen gegen das Libretto an, das wir mitlesen, mitsingen können. Aus der Tonebene wird Information. Wir verstehen, was die Musik mit uns machen soll. Wir hören den Film leise, weil die Freundin nebenan einen anderen Film sieht. Dann ruft jemand an. Gegen Ende des Films entwickelt sich eine Art Wettlauf zwischen Fortschritt des Balkens und der unvermeidlichen Auflösung. Oft denke ich: wie wollen sie in den paar Minuten noch zu einem guten Ende kommen. Und werde ungeduldig. Mein Bildschirm zwingt mich auch noch, mir selbst beim Sehen zu zusehen, in der Spiegelung. 

Ich kann mich nicht daran gewöhnen, das Erlebnis mit Analyse zu beschneiden. Und doch sehe ich viele Filme auf diese Weise. Ich kaufe mir Filme, will sie besitzen. Und weil sie geduldig im Regal stehen, höre ich mir dann doch den einen oder anderen Audio-Kommentar an. Und lasse zu, dass sich mein Eindruck mit Informationen anreichert, die mich nichts angehen. Oder ich sehe mir das verlogene Making-of an. Ist der Film neu, machen alle Werbung. Ist der Film älter, will niemand dem kanonischen Glück widersprechen. Gelegentlich profitiert der Filmemacher in mir (weil er etwas lernen kann), auf Kosten des Zuschauers. 

Man müsste wieder zurück. Ins Kino. Wo die Bilder Schicksal spielen. Aber die Werkzeuge der Distanzierung sind verführerisch. Oft weiss ich nach der „Lektüre” einer DVD, dass mir der Film gefallen würde, wenn ich ihn „richtig” sehen würde. Manchmal sehe ich mir im Kino an, was ich auf DVD gut fand, kann aber nicht vergessen, was ich schon weiss. Das Bild ist kontaminiert mit Interpretation.

Manche Kollegen, scheint mir, inszenieren schon im Hinblick auf den Audio-Kommentar. Der Schauspieler fragt den Regisseur: „Wie war ich?”, der Regisseur stellt dem Making-of Team die gleiche Frage. Zirkuläre Unterhaltung: der Film als Material für das Infotainment, das sich um den Film dreht. Über viele Filme lässt sich reden, ohne sie zu sehen. Die Produktionsgeschichte, Wirtschaftskrimi und Künstlerdrama, ist komplexer als die Handlung. Eine Meta-Falle, mit fliessenden Übergängen zum Klatsch. 


Es entsteht das Gefühl einer gewissen Enge.

12 Mai, 2013

Kurz vor knapp

Die ARD zeigt heute, Sonntag (12.05.2013) um 23.35 h meinen Film UNTER DIR DIE STADT.

Wiederholungen:
EinsFestival, 13. Mai 2013, 20:15 Uhr
EinsFestival, 13. Mai 2013, 23:35 Uhr
EinsFestival, 18. Mai 2013, 21:45 Uhr

05 Mai, 2013

Studienjahre

Wir würden im Kino erwartet, hatte es geheissen und da sassen wir nun, ein bisschen unschlüssig zwischen geheimnisvoll-tun und „was willst du so machen”-small talk. Dann kam der Präsident, ein völlig leerer Titel, wie wir später erfahren sollten, und nahm uns in Empfang. „Sie haben einen der teuersten Studienplätze Deutschlands”, war einer seiner ersten Sätze, und dass nur „Kampfflieger” aufwändiger ausgebildet würden. Wir sollten uns dieser Investition des Staates, dem „geschenkten Vertrauen”, würdig erweisen. Irgendwie waren wir also Kadetten, dachte ich – und freute mich auf den Krieg.

01 Mai, 2013

Das Gesicht

Ich habe kürzlich ein Buch von Denis Johnson gelesen, TRAIN DREAMS, und hatte 98 Seiten lang wirklich viel Spaß daran. Dann habe ich den hinteren Teil des Umschlags als Einmerker benutzt – und plötzlich stach mir das Portrait des Autors ins Auge, das dummerweise dort abgedruckt ist. Es klingt lächerlich, aber zu wissen wie der Mann aussieht hat meine Lesefreude deutlich gemindert. Nicht weil sein Gesicht in irgendeiner Weise bemerkenswert wäre, aber weil ich nun bei jedem Satz an ihn denken musste, ohne eine Verbindung zum Text herstellen zu können. Das ist vielleicht auch das Problem des Kinos seit der Nouvelle Vague: dass die Regisseure ein Gesicht bekommen haben. Es ist nicht mehr einfach „das Kino”, das spricht.

Konfektion


Die Arbeit der Kritik kommt mir oft wie das Bekleiden eines nackten Körpers vor. Dem Kunstwerk muss in den „Mantel” des Begriffes geholfen werden. Schnitt, Stoff und Farbe der Kleider / Wörter müssen „sitzen”, aber auch Spiel lassen für unverhoffte Bewegungen / Erkenntnisse. Was verhüllt wird, was entblösst, was Andeutung bleibt, was explizit wird, welche Unzulänglichkeiten kaschiert, welche betont werden: all das ist Produkt einer komplexen Vermittlung zwischen „Wesen” und Öffentlichkeit. Wie in der Mode aber ist die Konfektion zur Regel geworden ...