11 Juli, 2010

Auf einen Blick


MILCHWALD (2003) ...

Zu den Schwierigkeiten im Umgang mit zeitbasierten Kunstformen, dem Film zum Beispiel, gehört es, sich Überblick zu verschaffen. Eine Skulptur, eine Zeichnung erlaubt jederzeit die Totale. Aber wie könnte man einen Film auf einen Blick erfassen?

Die orthodoxe amerikanische Dramaturgie arbeitet gerne mit Grafiken, in denen sich die Akte zwischen Plot Points biegen. Aber diese Abstraktion ist denkbar weit entfernt von der Erfahrung, einen Film zu sehen.
Ein Annäherung anderer Art versucht die experimentelle Datenbank 0xdb. Dort kann man (zu ausgewählten Filmen) eine Art Zeittotale aufrufen, ähnlich der Timeline in einem Schnittprogramm, in der alle Szenen nebeneinander stehen.


... und FALSCHER BEKENNER (2005) als „Zeittotale” auf 0xdb.

Augenblicklich gewinnt man einen Eindruck von Rhythmus und Farbe eines Films; berührt man die Balken mit der Maus, werden auch die Untertitel der jeweiligen Szene sichtbar.
Wirklich erhellend ist die so gewonnene Gesamtschau sicher nur, wenn man den betreffenden Film gut kennt. Trotzdem könnten algorithmische Werkzeuge wie dieses das Filmemachen verändern.

Als Regisseur jedenfalls bin ich für jede Hilfe dankbar, eine Einstellung, eine Sequenz ins Verhältnis zum Ganzen zu setzen...

(Um die Bilder größer zu sehen, einfach doppelklicken.)

04 Juli, 2010

Tauchgang


Aus einem Boden...

Zu meinem Glück hat sich diesen Sommer die Gelegenheit ergeben, einen neuen Film zu machen. Es handelt sich um eine Art Traumprojekt: Unter der Überschrift DREILEBEN, einem (fiktiven) Ort im Thüringischen, werden drei abendfüllende Filme entstehen, die sich Schauplatz, Zeit und gelegentlich auch Figuren teilen, aber unabhängige Geschichten erzählen. Dominik Graf macht KOMM MIR NICHT NACH, Christian Petzold ETWAS BESSERES ALS DEN TOD und ich EINE MINUTE DUNKEL. Schon im August beginnen die Dreharbeiten, entsprechend viel ist zu tun, weshalb ich in Sachen Blog für eine Weile auf Tauchgang gehen werde. Ich wünsche allen Lesern, Interessierten, Freunden einen schönen Sommer weiterhin - bis bald,

Christoph Hochhäusler

01 Juli, 2010

Fritz Kortner:



„Eines Abends während der Vorstellung war ich überrascht, Profe, ebenfalls einen Chorführer, Daneggers großen Solosatz sprechen zu hören, obwohl Danegger mitspielte. Hinterher erklärte mir Danegger, er hätte dem mäßig begabten, etepeteten Profe, der aus vermögendem Hause stammte, jenen Satz für 5 Mark verkauft, das heißt, er, Danegger, schulde ihm 10 Mark, von denen nun 5 Mark als abbezahlt galten. Er würde ihm den Satz noch einmal überlassen und könne dann Profe erneut anpumpen. Profe aber pumpte nichts mehr, sondern schlug vor, jedesmal 3 Mark für den Satz zu bezahlen. So kam es, dass Danegger nie wieder den Satz sprach. Schließlich bot sich noch ein Satzkäufer an, dem Danegger seine übrigen Sätze verkaufte. Mir bot Profe für meinen großen Satz, mit dem ich die Aufmerksamkeit Wegeners erweckt hatte, 5 Mark für jede Vorstellung. Nach schwerem Ringen und unter großem wirtschaftlichen Druck und bei fortschreitender Verkommenheit ging ich auf den Handel ein. Schließlich verkaufte ich - gleich Danegger - alle meine Sätze. Eine Zeitlang machten Danegger und ich noch im Chor mit. Dann aber kamen wir nur noch vor Beginn der Vorstellung in die Garderobe, tätigten den Sätzeverkauf, trieben die Preise hoch und zogen ab. Es war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich mich als Unternehmer betätigte. Erst nach einer ganzen Weile kam man uns drauf. Reinhardt war außerstande, sein Amüsement zu verbergen. Wir kamen mit einer milden Strafe davon, mußten die Sätze aber wieder sprechen.”

Kortner, Fritz: „Aller Tage Abend”, München, 1959, S.152-153.

Siehe auch Syberberg: Kortner probt ... .