23 Dezember, 2008

Im Licht der jüngsten Filme

Filme bilden Familien in meinem Kopf. Manchmal trifft man auf ein schwarzes Schaf und plötzlich wird klar, warum die anderen „Kinder” des Regisseurs – die man unter Umständen zuvor bewundert hat – auch nichts taugen. Die Enttäuschung über einen Film kann die ganze Verwandtschaft in Verruf bringen...

Ich weiss, ästhetische Sippenhaft ist nicht unbedingt fair, aber Urteile über Filme sind eben immer kontextuell und ständig in Bewegung – im Licht der jüngsten Filme haben zum Beispiel Bruno Dumont (FLANDRES) und Nuri Bilge Ceylan (THREE MONKEYS) radikal an Glaubwürdigkeit verloren für mich. Auch den umgekehrten Fall gibt es: dass ein „abgeschriebener” Filmemacher plötzlich überzeugt und so seine älteren Filme eine neue Chance bekommen (so ist es mir immer wieder mit Werner Herzog gegangen).

Klar ist, dass diese Neu- und Umbewertungen oft weniger mit der Entwicklung der Regisseure als mit den Gezeiten der eigenen Wahrnehmung zu tun haben. Oder mit dem Zeitgeist. Oder der Begleitung im Kino. Manchmal auch mit einer präzise geschriebenen Kritik. Oder oder. Fast ein Wunder, dass man sich dann doch so oft auf bestimmte Filme einigen kann...

P.S.:
Nach VICKY CHRISTINA BARCELONA fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Woody Allen hat schon immer Telenovelas für die besseren Stände gedreht. Nur weil das Personal aus Intellektuellen besteht und der Erzähler ein bisschen Ironie verteilt, ist der Film noch lange nicht geistreich – geschweige denn tief. Die Komplikationen der Handlung sind Routine, die Figuren Funktionäre durchsichtiger Absichten... Aber waren seine Filme früher wirklich anders? Tja. Genau das meine ich.

P.S.2:
Doch, sie waren anders, finde ich. Wenn es hart auf hart kommt, geht es um Nuancen... Gleich noch einmal MANHATTAN ansehen...

15 Dezember, 2008

Georges Simeon:

"Rechts und links von ihm sass jemand, und überall waren Gesichterketten, die durch den Widerschein von der Leinwand halb aus dem Dunkel gehoben wurden. Es war warm. Eine Frauenstimme sagte mit verstärkter, übermenschlicher Stimme lange Sätze, und manchmal war zwischen den Worten ihr Atem zu hören, als streife er die Tausende von Zuschauern, während auf der Leinwand ein riesenhaftes Gesicht die Lippen bewegte."

Aus: Georges Simeon: Die Verlobung des Monsieur Hire, 1933 (Deutsch von Linde Birk 1978). Diogenes Verlag.

...als Anfang einer kleinen Serie über das Kino aus der Perspektive der Literatur. Beiträge sind willkommen.

11 Dezember, 2008

Kluges Nachrichten...

Hier mein Text zu Kluges NACHRICHTEN AUS DER IDEOLOGISCHEN ANTIKE, der gestern in Berliner Zeitung erschienen ist.

06 Dezember, 2008

Der Traum von Kontrolle


Weil wir in den Kommentaren gerade darauf gekommen sind. Hier meine HFF-Technikarbeit (2003) zum Thema „Previsualisierung” am Beispiel von Coppolas ONE FROM THE HEART. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen.

03 Dezember, 2008

AUSSEN, WÜSTE - TAG

Als Syd Field Anfang der 80er Jahre den Rufer in der Wüste spielte von wegen „Plot Point One: Page Twentyseven”, da konnte man nicht ahnen, dass sich die Ratgeber-Literatur einmal so wuchernd ausbreiten würde. Auch in Deutschland, einem Land, in dem man als Drehbuchautor besonders schlecht verdient, gibt es heute viele Meter Empfehlungsprosa im Regal - aber kaum ein richtiges Drehbuch zu kaufen.

Wer für die Bühne schreibt, hat selbstverständlich Zugriff auf eine große Fülle dramatischer Werke, aber Drehbuchautoren, die die Meister studieren wollen, sind oft genug auf die Filme selbst angewiesen. Und wenn dann doch einmal ein Drehbuch auftaucht, bevorzugt im „Buch zum Film”, stösst man oft auf trügerische Textfassungen, die im Zweifel lieber den Schnitt als das Drehbuch dokumentieren. Der Fan, der die Devotionalie zum Erfolgsfilm kauft, darf nicht verwirrt werden! Aber auch die alten Spektakulum-Bände von Suhrkamp, von Frieda Grafe und Enno Patalas verantwortet, haben die Filme literarisiert, statt Drehbücher zu veröffentlichen. Letztere sind wunderschöne Bände, sprachlich sehr elegant, aber eben weit davon entfernt, die Lücken, Widersprüche und Friktionen zwischen Buch und Film sichtbar zu machen, die zum Alltag des Filmemachens gehören.

Abhilfe schafft zumindest für den amerikanischen Raum das Netz, wenn auch nicht immer mit zuverlässig editierten Fassungen. Allerdings ist die Qualität der Download-Drehbücher sehr gestiegen, seit die Autoren eingesehen haben, dass es besser ist, selbst zu liefern als krude Fassungen zu bekämpfen. Kritische Editionen, wie es sie im Printbereich gelegentlich gibt, sind im Netz jedoch die große Ausnahme (Ich besitze zum Beispiel Ernest Lehmans Drehbuch zu NORTH BY NORTHWEST - aus der „MGM Library of Film Scripts”, Viking Press 1973 - eine ausgesprochen vergnügliche Lektüre mit feinen, aber mitunter vielsagenden Abweichungen zum fertigen Film, die jeweils mit eckigen Klammern gekennzeichnet sind).

Ich komme darauf, weil die Deutsche Filmakademie gestern angekündigt hat, in Zukunft deutsche Drehbücher als E-Books bzw. downloadbare PDFs zu verkaufen, für 9,90 Euro das Stück. Den Anfang machen wenig überraschend Dörries KIRSCHBLÜTEN und Akins AUF DER ANDEREN SEITE. Welche weiteren Titel geplant sind, nach welcher verlegerischer und editorischer Systematik man dabei vorgehen möchte, ist der Pressemitteilung leider nicht zu entnehmen. So oder so, den Vorstoss als solchen begrüsse ich sehr. auch wenn ich geduldiges Papier bevorzugen würde.

Zum (kostenpflichtigen) Download der beiden deutschen Drehbücher geht es hier.

Drei Hollywood-lastige amerikanische Seiten (auf denen sich aber auch der eine oder andere Dörrie-Film findet), allesamt kostenlos: Script-o-rama, Simply Scripts, Movie Scripts Database.

28 November, 2008

Interpassive Cineasten

„Es kommt vor, dass Leute, anstatt selbst fern zu sehen, lieber ihre Videorekorder programmieren, um Filme aufzunehmen. Sie sind schon zufrieden, wenn sie sehen, dass die Aufnahme stattgefunden hat, und sehen sich das Band dann niemals mehr an. Dieses Verhalten, bei dem ein Genuss an ein Gerät, eine Person, ein Tier oder eine Pflanze delegiert wird, bezeichne ich als Interpassivität.”

(...)

„Seit Filme auch in Ausstellungen gezeigt werden, müssen interpassive Menschen nicht mehr unbedingt ihre Freunde ins Kino schicken oder ihre Rekorder programmieren. Es genügt auch, dass sie selbst ins Museum gehen. Das Video, das sie sich nicht ansehen, läuft in voller Länge im Nebenraum, aus dem sie es beim Betrachten anderer Werke derselben Ausstellung ab und zu lärmen hören; der Nebenraum betrachtet es dann an ihrer Stelle.”


...schreibt Robert Pfaller in der neuesten Ausgabe von LIEBLING, einer extrem unhandlichen Lifestyle-meets-Tiefsinn-Zeitung (31 x 47 cm), in der Moritz von Uslar und andere Trendologen beweisen, dass sie älter geworden sind.

In der selben Ausgabe: 24 Bilder aus meinem neuen Kurzfilm SÉANCE (Teil des Episodenprojektes DEUTSCHLAND '09), eine „obsessionelle Befragung” des Autors Clemens Meyer zu Sylvester Stallones RAMBO-Filmen sowie Bekenntnisse eines schlaflosen Helmut Dietl...

21 November, 2008

Hoch-die-informationelle-Solidarität!

Ein Paradoxon steht im Mittelpunkt der Netzkultur: das Versprechen, zugleich sehr persönlich und ganz anonym agieren zu können. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnen können, dass viele Leser dieses Blogs zum Beispiel, die sich in Kommentaren äussern, namenlos bleiben wollen.

Umgekehrt vermutet man „hinter” gewissen Seiten oft eine anonyme Macht und ist dann überrascht, wenn man die Macherin / den Macher als Einzelkämpfer kennen lernt. Eine solche Überraschung war es für mich, die Betreiberin der von mir täglich besuchten Filmlinkseite film-zeit.de gestern auf dem Podium zu erleben: Ines Walk. Dass hinter ihrem Projekt, dessen Geschäftsmodell ich nie hinterfragt habe, nicht nur viel Arbeit, sondern auch eine Menge Idealismus steckt, hat mich überrascht. Danke für die Mühe!

Man könnte in diesem Zusammenhang vielleicht von informationeller Solidarität sprechen, die der Netzkultur jenes Quentchen utopischen Glanz gibt, das die ökonomische Misere für den Moment vergessen macht. Auf lange Sicht aber lässt sich die Vielfalt, die wir heute erleben, nicht mit Idealismus allein erhalten. Ich denke, es wird Zeit für ein realpolitisches Erwachen, das die Hardware- und Kommunikationsindustrie (die ihre Geräte und Verträge mehr und mehr wegen „unserer” Inhalte verkaufen) zwingt, einen fairen Anteil ihrer Gewinne an die Urheber zu verteilen.

Das wird nicht ohne Kampf gehen, denn aus Sicht der Industrie ist die Situation natürlich traumhaft: man nimmt Eintritt für die Bühne (die User bezahlen für Computer, Anschluss und Nutzung), aber die Künstler spielen umsonst. Eine Umverteilung würde allerdings einen Bewusstseinsprozess voraussetzen, der die informationelle in eine robustere Form von Solidarität verwandelt, was notwendig auch mit einer Ent-Anonymisierung verbunden wäre.

Was könnte unsere Boston Tea Party sein?

20 November, 2008

Netz der Möglichkeiten

Auf einer Tagung des Verbands der deutschen Filmkritik ging es heute um das „Netz der Möglichkeiten”. Passender Weise habe ich gerade einen kleinen Essay zum gleichen Thema geschrieben, seit heute nachmittag im Netz.

Einer der Redner auf der Veranstaltung war Ekkehard Knörer (Perlentaucher, Jump-Cut, taz), der über den Stand der Dinge in Sachen Netz-Cinephilie gesprochen hat und zugleich eine frohe Botschaft zu verkünden hatte: Seit heute ist das neue Zeitschriftenprojekt CARGO online, an dem neben Knörer auch Bert Rebhandl, Simon Rothöhler und Erik Stein mitstricken.



Ab 5. Februar wird es CARGO dann auch auf Papier geben. Schon lange hat es keinen so ambitionierten Versuch mehr gegeben, ein neues Magazin für Filmkritik in Deutschland zu gründen. Ich freue mich sehr und wünsche gutes Gelingen!

Hier noch ein sehr lesenswerter Beitrag von Volker Pantenburg, der ebenfalls auf der Tagung gesprochen hat.

16 November, 2008

Räuberleiter





Zwei neue Bilder aus dem Schneideraum von Benjamin Heisenbergs DER RÄUBER (2009), der sich langsam dem Drehende nähert (Kamera: Reinhold Vorschneider; © Geyerhalter Film).

Kennengelernt habe ich Benjamin 1997, kurz bevor er anfing, an der HFF in München zu studieren, wo ich ein Jahr zuvor gelandet war. Damals standen ihm die Haare - durchaus wörtlich - besonders dann zu Berge, wenn jemand im Kino auf Genreeffekte setzen wollte. Ich kann deshalb ein Lied davon singen, weil Ben Regieassistent war bei meinem ohne Zweifel gefälligsten Kurzfilm „Fieber”, in dem zwar keine Schießereien, aber dafür ziemlich raffinierte Kamerafahrten vorkommen, die nicht immer seine Gnade fanden.

Dabei war seine Strenge durchaus nicht systematisch, im Gegenteil hatten in seinem Filmuniversum viel gegensätzlichere Filme Platz als bei mir damals. Und so ist es vielleicht doch nicht so erstaunlich, dass ausgerechnet Benjamin, für eine Weile der entschiedenste Verfechter asketischer Positionen in unserer Clique, nach seinem krimi-nahen Debüt SCHLÄFER einen „waschechten” Genrefilm gemacht hat: DER RÄUBER, nach dem gleichnamigen Roman von Martin Prinz. Rein quantitativ machen Überfälle, Verfolgungsjagden und Schußwechsel einen großen Teil der Filmhandlung aus, aber natürlich ist am Ende das 'Wie' entscheidend.

Ich erinnere mich an erhitzte Debatten darüber, in wieweit man die Überwältigungsrethorik à la Tony Scott für unsere Filme fruchtbar machen könnte. Benjamin war der Meinung, dass man dessen visuelle Tricks mit Realismus kontern müsse, um ihnen die notwendige Transparenz zurückzugeben... Ich bin gespannt, ob die Montage mehrerer gegenläufiger Helikopteraufnahmen, die ihn damals bei Scott so faszinierte, in DER RÄUBER „realistisch verwandelt” Verwendung finden wird. Denn ja, es wird Helikopteraufnahmen geben, auch das. Die Bilder oben sind jedenfalls vielversprechend, finde ich... Alles Gute für den Endspurt!

11 November, 2008

Heft in Sicht!



Revolver # 19 enthält Beiträge von / mit Hans Hillmann, Tsai Ming-Liang, Thomas Harlan, Götz Spielmann, Chris Marker, Susanne Lothar, Ulrich Noethen und Saskia Walker.

Zukunft des Körpers

Revolver zeigt sechs kurze Filme zum Thema „Zukunft des Körpers”:

Am Donnerstag, den 20.11.2008 um 21.30 h, in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Im Anschluß wird (auch) das Erscheinen des neuen Hefts gefeiert, und zwar ab 23 h im Roten Salon - mit DJ DIN 3000.

„Ein Bild meiner Großmutter” von Norman Richter, „Verbesserungspotential” von Jose van der Schoot, „cuddle sit by pool” von Rebecca Baron & Douglas Goodwin, „preserving cultural traditions in a period a instability” von Thomas Draschan & Sebastian Brameshuber, „Rosi” von Katrin Eißing, „Erich Lusmann” von Rainer Knepperges.

Produziert von Revolver (Jens Börner, Benjamin Heisenberg, Christoph Hochhäusler, Franz Müller, Nicolas Wackerbarth) und Eva Weerts, im Auftrag der „Frankfurter Positionen”. 80 Minuten. Digi Beta. Deutschland 2008.



ROSI von Katrin Eißing.

09 November, 2008

You Can Imagine The Opposite

Werbung erzählt oft und gerne Geschichten vom Gegenteil. Wer als Umweltsünder bekannt ist, wird eine „grüne” Kampagne starten, wer unbekannt ist, seinen „Erfolg” verbreiten, wer austauschbar ist, seine „Individualität” betonen. Diese Tendenz ist so zuverlässig geworden, dass ich mir beinahe unwillkürlich das Gegenteil vorstelle, wenn ich Werbung sehe oder lese – ein Spiel, das in Verbindung mit der Lektüre des Wirtschaftsteils erstaunlich oft Sinn macht.



AFTER EFFECT (Regie: Stephan Geene, D 2006)

„Werbung lebt von der Restwärme leergemachter Begriffe.”

21 Oktober, 2008

Cristina Nord:

„...offenbar hat gerade die Naivität etwas Verführerisches in einer Zeit, in der man sich wieder gerne positiv und ohne Scham auf Deutschland bezieht.”

Aus dem sehr lesenswerten Artikel in der TAZ über die Welle deutscher Geschichtsfilme und ihrem „Fetisch Authentizität”.

Nachlesen:
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ku&dig=2008%2F10%2F21%2Fa0090&cHash=5b12958c89

07 Oktober, 2008

38 Fragen zur FFG Novelle

Veranstaltungshinweis:

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zur Novellierung des Filmfördergesetzes.

Die 64. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien findet statt am
Mittwoch, dem 08.10.2008, 15:00 bis 18:00 Uhr
Sitzungsort: Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1 / Schiffbauerdamm
Sitzungssaal: 3.101 (Anhörungssaal).

Geladen sind:

Uli Aselmann
stellv. Vorsitzender der Allianz Deutscher Produzenten, Sektionsvorstand Kino, c/o d.i.e.
film.gmbh, München

Joachim A. Birr
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Bundesverband Audiovisuelle Medien e.V., Hamburg

Prof. Dr. Oliver Castendyk
Direktor Erich Pommer Institut gGmbH, Potsdam

Matthias von Fintel
Tarifsekretär Medien, ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesvorstand,
Bereichsleitung Medien, Film, Berlin

Dr. Stefan Gärtner
German Free TV Holding GmbH, Unterföhring

Eberhard Junkersdorf
Präsident der FFA Filmförderungsanstalt, Berlin

Dr. Thomas Negele
Vorstandsvorsitzender Hauptverband Deutscher Filmtheater, Berlin

Kirsten Niehuus
Geschäftsführerin Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH, Potsdam

Peter Rommel
Geschäftsführer Rommel Film, Berlin

Dr. Detlef Roßmann
Vorstandsvorsitzender Arbeitsgemeinschaft Kino/Gilde dt. Filmkunsttheater e.V., Berlin

Tomy Wigand
Bundesverband Regie, München


Details unter:

http://www.bundestag.de/ausschuesse/a22/tagesordnungen/a22_to64.pdf


(Danke für den Hinweis, Anonym!)

Eierkuchen

„Wir lieben sie alle: die mit kleinem wie großem Budget produzierten Filme.” schreibt Anke Westphal friedensstiftend in einem Artikel der Berliner Zeitung, der meinen Blog-Eintrag „Das Rezept” zitiert - und meint eine alte fruchtlose Debatte wiederzuerkennen: „Geld oder Kunst?”. Ich für meinen Teil begrüße die Debatte, möchte aber um Genauigkeit bitten.

Von „guten alten Totschlagargumenten Volkstümlichkeit und Formalismus” habe ich keinen Gebrauch gemacht. Das Beispiel KRABAT schien mir passend, eben weil ich den Film NICHT kenne. Ich hoffe, er ist hervorragend. Ich liebe das Buch von Preussler. Aber in diesem Fall ging es mir eben nicht um eine ästhetische, sondern um eine filmpolitische Debatte. Genauso gut hätte ich einen anderen Film aus dem 10-Millionen-Club nennen können. Kreuzpaintners Film schien mir passend, weil wir aus einer Generation sind. Nichts weiter.

Ich fordere weder „kleine dreckige Filme” (was mir Frau Brückner unterstellt hat), noch glaube ich, dass ein teurer Film künstlerisch per se zum Scheitern verurteilt ist (was Frau Westphal zu verstehen glaubt). Allerdings bin ich der Meinung, dass wir es uns nicht leisten können und dürfen, entgegen der einzig haltbaren Rechtfertigung öffentlicher Förderung und wider alle wirtschaftliche Vernunft, 'Little Hollywood' zu spielen.

*

Aus einem vier Jahre alten Pamphlet:

Es ist so einfach und doch noch nicht verstanden: Unsere Chance ist der radikale Film. Marktrational ist eben nicht das teure Mittelmass, das heute im Fokus aller Förderpolitik steht, sondern anzubieten, woran Mangel herrscht. Und das ist natürlich der kulturell spezifische Film, der sich vom Hollywoodstandard nicht aus Not und mit Bedauern unterscheidet, sondern der sich unterscheiden will, aggressiv und selbstbewusst. Das heisst aber gerade nicht, sich in eine Nische drängen zu lassen. Wer genau hinsieht, wird bemerken, dass es der Hollywoodfilm ist, der sich allenthalben auf die Füße tritt - so eng ist das Revier - während weite Ebenen des Films brach liegen. Wir können schneller, politischer, zärtlicher, direkter, persönlicher sein als die schwerfällige Maschinerie Hollywoods. Wir haben also einen klaren Wettbewerbsvorteil - den wir nicht ausspielen. Diese Dummheit werden wir uns nicht mehr lange leisten können...

*

Nachlesen:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/1007/feuilleton/0036/index.html

01 Oktober, 2008

Werkzeugkiste

In den meisten Filmen spürt man die Führung der Worte in Courier-Schrift Größe 12 - mindestens in den scharfen Kurven des Plots. Wie eine Spurrille verhindert der Text Kollisionen mit der Wirklichkeit einer Drehsituation.

Das andere Extrem ist nicht weniger hässlich: Die Panik zur Improvisation gedrängter Schauspieler, ihnen könnte im nächsten Augenblick der Text ausgehen.

Auch ein Storyboard setzt auf Effekte, die dem Kino nicht entsprechen. Hinzu kommen die Begrenzungen des Zeichners, der sich im Zweifel an Perspektiven halten wird, die er schon gezeichnet hat. Ich spreche aus Erfahrung.

So oder so: Die Medien der Kontrolle sind nicht neutral. Stets bilden sich die Werkzeuge selbst ab.

Ich versuche zum einen, dem Text eine eigene Wahrheit zu geben, die der inszenatorischen Interpretation bedarf. Das Drehbuch verwirklicht sich in seiner Auflösung. Man muss es in den Körpern und Blicken zum Verschwinden bringen - „mit Leben überschreiben”.

Zum anderen arbeite ich in der Zeichnung und auf der Suche nach Orten situativ. Visuelle und sprachliche Planung kommen nicht zur Deckung - sie sind nicht der Film.

Trotzdem ist diese Synthese das Schwierigste. Kommt sie nicht zu Stande, gilt der alte Goethe-Spruch: Ich merke die Absicht und bin verstimmt.

*

Zum Beispiel:

Auszug aus der Regiefassung von FALSCHER BEKENNER (2005). Die Eröffnungsszene in Drehbuch...



...und Storyboard.



Constantin von Jascheroff als Armin: Der Film ist etwas Drittes.



(Das Bild stammt aus der ursprünglichen Eröffnungssequenz, befindet sich aber an einer anderen Stelle im Film.)

20 September, 2008

Himmel ohne Sterne

Es wird so gerne über „deutsche Stars” geschrieben in der letzten Zeit. Manchmal bin ich versucht, mitzusingen in diesem Chor, Stimmung zu machen für die tollen Schauspieler, die es hierzulande gibt. Im poetischen Überschwang kann man sie gerne Sterne nennen, für's Blumige bin ich zu haben. Aber fehlt nicht der Himmel, auf dem sie leuchten könnten? Und wäre das so schrecklich?

Günther Rohrbach, Produzent großer Wegsteine des deutschen Films, schrieb 1983 in seiner Polemik „Die verhängnisvolle Macht der Regisseure”: „Filme, das waren Wünsche, Sehnsüchte, Ängste, Hoffnungen, erlebt und erlebbar gemacht durch Menschen, die größer waren als man selber, schöner, reicher, die das Produkt von Träumen waren. Der klassische Kinostar war entrückt und überhöht, fern aller Wirklichkeit, ein Wesen von unirdischen Glanz, ein Stern am Himmel.” Dass der damals gerade in die Jahre kommende Neue Deutsche Film (kurz vor seiner politischen Demontage) solche „Entrücktheiten” nicht hervorgebracht hatte, bedauert Rohrbach in seinem Text ausführlich - und macht dafür die „verhätschelten” Regisseure verantwortlich.

Aber auch 25 Jahre später gibt es - trotz der Wiedergeburt des Proudzentenkinos - wenig „unirdischen Glanz” im deutschen Kino. Stattdessen sind die „Stars” ganz zutrauliche Leute, die hart daran arbeiten, als bodenständig zu gelten, sich mit „alten Kumpels” brüsten, denen sie angeblich die Treue halten und entsprechende Rollen spielen, nach dem Motto: das nette Mädel / der junge Mann von Nebenan. Ein Missverständnis, finde ich, in zwei Richtungen: Zum einen ist ein „Star” eben nicht zu haben ohne Distanz, Kontrolle, Macht. Welcher Schauspieler in Deutschland hätte die Macht, sein öffentliches Bild präzise zu formen, über viele Filme hinweg, und dieses Bild mit einem „zuverlässigen” Begehren des Publikums zu verbinden? Zum anderen wäre es - Star hin oder her - angebracht, in die sympathische Wohlfühlmelodie ein paar Dissonanzen zu bringen, dem Kino zu Liebe.

Was mir am meisten fehlt im deutschen Film, das ist Gefahr - nicht nur um Leib und Leben, sondern auch Gefahr für den Seelenfrieden, die geistige Gesundheit und die erschlafften Lenden. Das Kino, von dem ich träume, ist aufregend im ursprünglichsten Sinne des Wortes, scharf und genau. Ich will Filme sehen, die meine Wahrnehmung intensivieren, mein Denken verändern, meine Sicherheiten in Frage stellen. Die Stars alter Prägung haben letztlich nur in ihren Vehikeln funktioniert, wo sie ihre Leinwandpersona varieren, sich aber nicht entwickeln durften. Ich sehe lieber Schauspieler, die mich zur Aufmerksamkeit verführen, Menschenkenner, die Widersprüche nicht vertuschen, Grenzgänger, die keine Angst haben, die Gunst der Schwiegermutter zu verlieren... Kurzum: keine netten Nachbarn, keine Stars in Cellophan, sondern lebendige Menschen.

18 September, 2008

Entwarnung!

Die Regisseurin Jutta Brückner hat in der neuen Ausgabe der Zeitung FREITAG eine (vage) Antwort auf meinen Blogeintrag „Das Rezept” geschrieben. Unterzeile: „Warum wir keine andere Filmförderung brauchen.”

Es freut mich natürlich, dass mein kurzer Text die Durchblutung fördert. Die Debatte ist mir willkommen. So richtig verstehe ich nach Lektüre des Artikels aber immer noch nicht, warum es in Ordnung sein soll, dass, Zitat Brückner, „immer mehr Filme gefördert (werden), die auf diesen großen, internationalen Markt zielen und dabei die Infantilität und den Kitsch bedienen müssen, die zwangsläufig mit der Herausbildung eines globalisierten Massengeschmacks verbunden sind.”

Nachlesen: http://www.freitag.de/2008/38/08381302.php



Brückner-Film HITLERKANTATE (D 2005)

P.S.:
Was Frau Brückner - deren unabhängige Meinung ich schätze - in ihrem Artikel unerwähnt lässt: dass sie selbst als BKM- Jurymitglied in der Filmförderung aktiv ist / war --- wie übrigens auch Marco Kreuzpainter.

Romuald Karmakar:

„Bis heute verstellt die Suggestion von Geschichte im Arthouse-Mainstream-Kino den Blick auf unsere Welt.”

Aus einem sehr lesenswerten FAZ-Artikel des Regisseurs über Margarete von Trottas „Die bleierne Zeit”.

http://www.faz.net/s/Rub8A25A66CA9514B9892E0074EDE4E5AFA/Doc~E6026FD988C5B4E4899F82012537D171A~ATpl~Ecommon~Scontent.html

An gleicher Stelle zu lesen: Domik Graf über Fassbinders „Die dritte Generation”, Nicolette Krebitz über Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum”, Tom Tykwer über den Gemeinschaftsfilm „Deutschland im Herbst” und Hans Steinbichler über Hauffs Filme „Messer im Kopf” und „Stammheim”.

12 September, 2008

Joachim Güntner:

„Innerhalb der RAF hiess das Unternehmen, die Stammheimer Gefangenen freizupressen, «Big Raushole». Was der Vorbericht zum Film im «Spiegel» liefert, eine Mischung aus Reportage und Rezension, könnte gut «Big Ranschmeisse» heissen. Der Rezensent zeigt sich als Meister der Einfühlung – in die Schauspieler. Als «Meilenstein für den deutschen Umgang mit der RAF» gilt ihm, und er meint das nicht satirisch, wie die Schauspielerin Nadja Uhl, die «sehr schön lächeln» kann und doch leider die hartgesottene Brigitte Mohnhaupt verkörpern muss, zu ihrer Rolle findet: dass Uhl alle biografische Recherche weglässt und sich darauf konzentriert, «das Töten in ihr Gesicht zu kriegen». Schmierenstücke solcher Art haben wir zuletzt gelesen, als es darum ging, Eichingers Produktion «Der Untergang» als Meisterwerk über Hitlers letzte Tage im Führerbunker zu verkaufen. Hoffentlich ist dieses Mal wenigstens der Film besser als die Publizistik.”

(Aus einem Artikel der NZZ vom 12.09.2008)

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/die_raf__reif_fuer_grosses_kino_1.829626.html

07 September, 2008

Identifikation eines Lesers

Früher war es üblich, dem gelangweilten oder schlaflosen Hotelgast eine Bibel nahezulegen. Heute befindet sich im Nachttisch mitunter ein Kriminalroman, wie zum Beweis, dass unsere Religion Unterhaltung heisst. So oder so, ich habe „The Talented Mr. Ripley” vorgefunden und mit großem Vergnügen ohne Anzuhalten durchgelesen, womit meine Frömmigkeit hoffentlich bewiesen wäre...

Was ich so berückend fand, war das mit spitzen Fingern bereitete Vergnügen der Identifikation. Obwohl uns Highsmith keinen Moment darüber im Zweifel lässt, dass Ripley ein Schwein ist, wollen wir mit ihm „Erfolg” haben - was immer das heissen mag im Kontext seiner kleinen Hölle. Die Einfühlung in diesen verblüffend „normalen” Soziopathen geht parallel zur Identifikation Ripleys mit Dikie, so dass wir gewissermassen eine Spiegelung unserer eigenen Aktivität erleben - und uns selbst verdächtig werden. Nicht zufällig erreichen Ripleys empathische Anstrengungen ihren Höhepunkt, NACHDEM er Dikie umgebracht hat... Einen effektiveren Diskurs über die Einfühlung als „Ausgeburt” unseres Narzismus' kann ich mir kaum denken. Auf diese Weise hat der Roman sehr viel mit dem Kino zu tun, wenn auch reichlich wenig mit seinen Verfilmungen, was sehr für die Autorin spricht, die ich Snob wegen Minghella & Co bisher nie gelesen habe.

04 September, 2008

Musterlösung

Ich fahre gerne S-Bahn. Man sieht die Stadt, den Abriss hier, den Baufortschritt dort, kann eine Station lang oder zwei ein Gesicht studieren, erlebt Sprechweisen, Moden und Milieus, mit denen man privat nicht zu tun hat und während die Bewegung die Welt zum Bild verdichtet, schweifen die Gedanken.

Mehr als einmal allerdings bin ich bei meinen Gedankenflügen am Muster der Sitze hängen geblieben. Für Nicht-Berliner: Im Kampf gegen den Vandalismus in Form „getaggter” Oberflächen hat man sich vor einiger Zeit dazu entschieden, den Innenraum von vorne herein mit Geschmier zu verzieren. Ein grausig buntes Muster wurde nach der Massgabe entworfen, Vandalen den Spaß dabei zu verderben, selber ihre Edding-Kürzel zu hinterlassen.



Das funktioniert recht und schlecht, weil das Prinzip „Fame” kollabiert, wenn sich der „Künstlername” nicht vom Sitzbezug abhebt... stösst mir aber trotzdem übel auf. Nicht nur, dass ich, als Nicht-Vandale, mit der schier unüberbietbaren Hässlichkeit des Musters bestraft werde. Mich irritiert auch das Prinzip, dem Gegner so weit entgegenzukommen - vorauseilend kapitulierend sozusagen. Ist das nicht wie der sprichwörtliche Schuss ins Knie? Lieber verstümmele ich mich, als den Kampf aufzunehmen? Ich weiss, es geht nur um ein Sitzmuster - aber womöglich reicht diese Haltung über die S-Bahn hinaus.

Was wäre, wenn man in dieser Art Filme machte? Von einer „qualifizierten” Minderheit der Zuschauer das Schlimmste erwarten und deshalb vorauseilend und zynisch die ästhetische Niederlage vorwegnehmen - und sich freuen, dass es „funktioniert”. Oh ja, das gibt's. „Privat sehe ich auch gerne solche Filme, aber wir müssen ans Publikum denken.” höre ich oft. Für viele Medienmacher sind die Zuschauer eine feindliche, gesichtslose Masse, die man mit kalkulierten Geschmacklosigkeiten in Schach halten möchte...

Ich empfehle: S-Bahn fahren - und dem Nachbarn ins Gesicht sehen.

11 August, 2008

Lourdes



Jessica Hausner (Bild), Regisseurin von LOVELY RITA und HOTEL, hat einen neuen Film gemacht: LOURDES, eine Dramödie zwischen heilig und profan, mit Sylvie Testud in der Rolle einer an den Rollstuhl Gefesselten, die in Lourdes mit einem Wunder zu kämpfen hat... Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir den Film zu sehen bekommen, aber zumindest scheint er gut im Schneideraum angekommen zu sein. Auf bald!

06 August, 2008

Das Rezept

In welche Richtung geht der deutsche Film? Mir scheint, es gibt eine neue Tendenz zur Fiktion, zum Genrekino und auch - Zitat Oskar Roehler - zum „entertainment value”, übrigens im Rahmen deutlich höherer Budgets. Wie das funktioniert? Oskar Roehler erklärt es uns:

„There is a crystal-clear recipe for success that simply works if you follow it: it's a question of good music, of wether people sing, if there's enough oomph and glamour about the movie.” (Zitat „Zoo Cinema Issue 08”):

Roehler jedenfalls hat das Rezept ausprobiert und man darf gespannt sein, wie „kristallklar” sein neuer Film LULU UND JIMI geworden ist. Erzählt wird (laut Verleihwerbung) „die Geschichte der unmöglichen Liebe zwischen der Fabrikantentochter Lulu und dem schwarzen Lebenskünstler Jimi im Deutschland der ausklingenden 50er Jahre”.



LULU UND JIMI (Jennifer Decker als Lulu, Ray Fearon als Jimi)

Auch Andreas Dresen, für Verächter der „de Sica aus Gera”, hat einen Schritt Richtung Movieland, oder, um im Bild zu bleiben, in Richtung Fellini gemacht. Sein neuer Film WHISKY MIT WODKA handelt dem Vernehmen nach „von einem berühmten Schauspieler (Hübchen), der wegen seines Alkoholkonsums zum Produktionsrisiko wird und deshalb einen jungen Kollegen zur Seite gestellt bekommt, mit dem zur Sicherheit alle Szenen ein zweites Mal gedreht werden”.



WHISKY MIT WODKA (Flickr-Albumfoto von Ole Werner)

Hans-Christian Schmid hat unterdessen gerade begonnen, seinen lange angekündigten Politthriller zu drehen, Arbeitstitel STURM, der in Thema (Kriegsverbrechertribunal Den Haag), Besetzung (Kerry Fox) und Budget (9 Millionen) ganz klar internationale Ambitionen hat.

Ausserdem demnächst im Angebot: Polit-Action (Uli Edels DER BAADER MEINHOF KOMPLEX, 20 Mio Euro), Polit-Thriller (Tom Tykwers THE INTERNATIONAL, 30 Mio Euro), Fantasy (Marco Kreuzpaintners KRABAT, 10 Mio Euro), Mystery (Anno Sauls DIE TÜR), Bestseller (Sönke Wortmanns DIE PÄPSTIN, 22 Mio Euro), "Literatur" (Heinrich Breloers DIE BUDDENBROOKS, 15 Mio Euro), Kriegsdrama (Max Färberböcks ANONYMA, 18 Mio Euro), Bergdrama 1 (Phillip Stölzls NORDWAND), Bergdrama 2 (Josef Vilsmeiers NAGA PARBAT, 7 Mio Euro), Bio-Pic 1 (Florian Gallenbergers JOHN RABE, 17 Mio Euro), Bio-Pic 2 (Kai Wessels HILDE, 9,5 Mio Euro) usw.



KRABAT (Christian Redl als Hexenmeister)

Völlig unabhängig von den Qualitäten dieser Filme (die ich nicht kenne) zeichnet sich damit eine Tendenz ab, die Martin Moszkowicz, Vorstand für den Bereich Produktion bei der Constantin Film AG, vor vielleicht zehn Jahren in einem Vortrag an der HFF München als Marschrichtung ausgegeben hatte: weniger, dafür deutlich teurere Filme hatte er sich gewünscht, ein klares Bekenntnis zur Unterhaltung - und den Abschied von Klein- und Kleinstfirmen im Produktionsbereich. 80 % der kleinen Produzenten würden in den nächsten fünf Jahren verschwinden, sagte er damals, und darauf freue er sich.

Ganz so ist es bisher nicht gekommen, und nicht zufällig kommen die interessantesten Filme des deutschen Kinos regelmässig aus eben jenen weggewünschten Kleinbetrieben. Diese Filme allerdings sind oft genug unterfinanziert, während viele der oben genannten Projekte über (für deutsche Verhältnisse) geradezu üppige Budgets verfügten - wovon ein beträchtlicher Teil in die Firmen fliesst, deren (legal) abzweigbare 'Unkosten' ja an das Budget gekoppelt sind. Das wäre alles gut und schön, wenn der Markt so frei wäre, wie die Rethorik Moszkowicz' es nahe legt. Aber da es fast ausschliesslich um öffentliche Mittel geht (und die EU ausdrücklich keine Wirtschaftssubventionen erlaubt) wird der Verteilungskampf zunehmend kulturpolitisch.

Welchen Film sollen / wollen wir uns leisten?

Ich weiss, es ist hässlich und anstössig, Filme mit- und gegeneinander zu verrechnen. Aber da weder Fördervolumen noch Sendermittel steigen, bedroht die Tendenz zum „Großfilm” die Vielfalt. Alle Filme von Christian Petzold zusammengenommen haben zum Beispiel soviel wie ein KRABAT gekostet (10 Millionen). Oder anders ausgedrückt: ein KRABAT hat - mindestens für die betreffende Fördersaison - acht andere Filme verhindert. Auch wenn der Film erfolgreich ist und Geld zurück bringt, hat er die Möglichkeiten der anderen extrem verengt. Was mich daran stört ist vor allem, dass es stillschweigend passiert und nicht eingebettet ist in eine Debatte darüber, welche Filme wir brauchen, sehen wollen, öffentlich fördern sollten.

29 Juli, 2008

Venedig!

Deutsche Antipoden im Wettbewerb in Venedig:
Werner Schroeters DIESE NACHT, Christian Petzolds JERICHOW.


Bei der Arbeit: Werner Schroeter...


... und Christian Petzold (mit Kameramann Hans Fromm und Szenenbildner Kade Gruber)

11 Juli, 2008

HEUTE ABEND!



Revolver feiert heute abend ab 21.30 h im Bootshaus (Bild) und je nach Wetter auch am Spreestrand von Kiki Blofeld, Köpenickerstr. 48 / 49. Vielleicht sehen wir uns?

04 Juli, 2008

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Zu meinem Vergnügen: Bilder aus der Anfangssequenz von Martin Scorseses CASINO (1995), einem Film, der damals als eine Art hysterische Fortsetzung von GOODFELLAS grob unterschätzt wurde. Für mich gehört CASINO in seiner Kraft, Härte und Genauigkeit zu den besten amerikanischen Filmen überhaupt. Das geniale dialektische Erzählprinzip von GOODFELLAS, die Verschränkung von Erzählen und Zeigen, Verführung und Analyse ist hier bis ins polare Extrem - Oper und Dokumentarfilm - auf die Spitze getrieben; und so findet das Exzessive und Obsessionale des Gegenstands seine Entsprechung in der filmischen Form. Zu dieser Größe hat Scorsese seither nicht zurück gefunden und wird es womöglich nie mehr. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage physischer Belastbarkeit...

(Die Titelsequenz war die letzte Arbeit von Saul und Elaine Bass, den großen Meistern der filmischen Ouvertüre.)

01 Juli, 2008

Image Diary

Apichatpong Weerasethakul, Regisseur von „Blissfully Yours”, „Tropical Malady” und zuletzt „Syndromes and a Century” veröffentlicht seit einiger Zeit ein „Image Diary” - hier ein Ausschnitt aus dem Juni-Post:



http://www.kickthemachine.com/home/index.html (Unter der Rubrik Image Diary)

Die Bilder selbst sind (größtenteils) unspektakulär. Der Name „Tagebuch” deutet die Kunstlosigkeit schon an. Interessant finde ich den Versuch der „Veralltäglichung” visueller Kommunikation. Könnte die tägliche Handhabe eine Art visueller Versprachlichung mit sich bringen?

Auch wenn Weerasethakul wahrscheinlich viel konkretere Absichten hat - ich finde die Vorstellung reizvoll, das Kino könnte sich mit der Vollendung der digitalen Revolution von der Schwerfälligkeit der bis heute üblichen dreiphasigen *) Produktion befreien und in Zukunft sukzessive und AUF EINER EBENE entstehen - unter Verwendung von vorgefertigten / in „Tagebüchern” gesammelten Bild-Einheiten. Das klingt wie eine Fusion aus Jonas Mekas, Found Footage und Truffauts „caméra-stylo” - und warum auch nicht.

Ich schreibe gerade an einem Kurzfilm und verwende dabei zum ersten Mal systematisch die Google-Bildsuche. Ich schreibe mein Drehbuch also sozusagen in die Suchmaske und bin auf diese Weise von Anfang an mit Bildkombinationen konfrontiert. Für mich eine aufregende Erfahrung... Wenn man nun so mit eigenen (über Jahre geernteten) Bildern bzw. Bewegtbildern verfahren könnte?


*) Das Silbe „-phase” suggeriert nur eine zeitliche Trennung, aber letztlich geht es um verschiedene Medien: Die Konzeption passiert in Textform, die Dreharbeiten organisieren akkustische / visuelle Ereignisse für eine Aufzeichnung, die dann im Schnitt verarbeitet wird. Es geht also um jeweils komplementäre Verfahren, die im „Verkehr” aufwändige Übersetzungsarbeiten notwendig machen.

26 Juni, 2008

Body Double

Die deutsche Geschichte als ein Maskenball der Untoten... und der Schauspieler als Celebrity-Impersonator:



Frau Dietrich und Katja „Marlene” Flint.



Adi und Bruno.



Tom Cruise „ist” Stauffenberg.



Wowereit versucht wie die Tussaud-Version von Clooney auszusehen (nur die Krawatte stimmt noch nicht).



Johanna Wokalek macht auf Gudrun Ensslin.



Knef = Makatsch.



Doch nicht: Yvonne Catterfeld als „Eine Frau wie Romy”.



Die neueste Blüte: Schweighöfer will Reich-Ranicki werden.