06 Oktober, 2007

Flaneur Spezial

Die Straße ist eine Zeitung der Kontraste, ungezähmt. An Ampelmasten und Trafokästen, Häuserwänden und Eingängen, auf Bodenplatten und Bauzäunen finden sich Botschaften, von politisch bis obszön. So lange ich Dringlichkeit spüre, etwas Echtes, das über Propaganda oder Mutwille hinausgeht, nehme ich die Regelverletzung gerne hin. Oft genug handelt es sich um Notwehr in öffentlichen Räumen, die von teurer, großflächiger Werbung in Schach gehalten werden. In letzter Zeit aber häufen sich die Heuchler. Professionelle Werber imitieren „Street Art”, rechnen die paar Anzeigen wegen Sachbeschädigung ins Werbebudget und versuchen sich so „street credibility” zu erschleichen. Für „Borat” etwa schickte 20th Century Fox, der bekannte amerikanische Verleih, Schablonensprüher und Papierfigurenkleber durch die Stadt, die dem Film eben jenen Anstrich von „Untergrund” geben sollten, der sich im Mainstream bezahlt macht. Wahrscheinlich wird sich im geheimen Schriftverkehr zwischen Verleih und Werbeagentur kein Aufruf zum Rechtsbruch finden, Tatsache aber ist, dass Hunderte geprühter und geklebter Werbezeichen über die Stadt verteilt wurden, die meisten davon illegal. Dieses Beispiel hat leider Schule gemacht. Von „Leroy” (X-Filme / Warner) bis „Stellungswechsel” (Fox) versuchen sich die großen Verleiher immer öfter an Schmierereien, um die fürs Kino besonders relevante junge Zielgruppe zu ködern. Das kann nicht wirklich überraschen, schliesslich sucht die Werbung schon immer verzweifelt Anschluss bei der „Subkultur”. Unanständig ist es trotzdem, denn schliesslich gehört die Straße - uns!